Nachruf: Thomas Danneberg

Die Extra-Meile oder: Currywurst und Bier bei Boente mit Thomas Danneberg

„Thomas Danneberg ist leider gestorben“ schrieb mir der liebe Gerd diesen Montag. Obgleich ich Thommy nur wenig Male persönlich getroffen habe, hab ich ihn gleich vor Augen oder viel genauer: in den Ohren. Ich weiß nicht, wie viele Filme ich gesehen habe, in denen Thomas gesprochen hat. Es müssen hunderte gewesen sein. Und natürlich waren Schwarzenegger und Stallone für uns Pflichtprogramm. Aber auch Terrence Hill, John Travolta und Dan Aykroyd klangen wie Thomas, wir wussten es damals nur nicht direkt. Wer in den 80ern aufwuchs, der kam nicht an Cannon vorbei, „Äktschn“ war angesagt und wann immer es einen harten Hund brauchte, war Thomas eine Bank. Seine Stimme war so begehrt, dass Lewis Collins beim zweiten Erwin C. Dietrich Söldner-Film KOMMANDO LEOPARD auf Thomas‘ Stimme in der deutschen Fassung bestand. Das kuriose dabei: da Thomas selbst mitspielte, musste er ebenfalls synchronisiert werden – von niemand geringerem als Schnodderschnauze Rainer Brandt.

Für Turbine kam Thomas bei THE BLUES BROTHERS ins Spiel. Das war 2015. Wir hatten die verwegene Idee, die Langfassung des Films komplett einzudeutschen – und dafür die original Sprecher aus den frühen 1980er Jahren zu verpflichten. Rainer Basedow machten wir in Österreich ausfindig, mit Thomas war es etwas komplizierter. Nachdem wir es wochenlang aber ohne Erfolg über ein Synchronstudio in Berlin probiert hatten, griff ich selbst zum Hörer. Es klingelte und nach wenigen Augenblicken hatte ich ein gut gelauntes Amalgamat aus Stallone, Schwarzenegger, Hill und Travolta am Telefon. Ich war total perplex und verhaspelte mich beim ersten Mal so hilflos, dass ich Luft holen und neu ansetzen musste… geht es peinlicher? Thomas hatte sich zu dieser Zeit schon etwas rar gemacht und verbrachte einen Teil seiner Zeit bei seiner neuen Partnerin im Ruhrgebiet. Aufgrund der Planungen galt es also, eine Aufnahmemöglichkeit „im Pott“ zu finden, weshalb wir letztlich bei Didi und Mega Blaster Music in Marl landeten. Wie der Name vermuten lässt, handelt es sich bei Didis Etablissement um eine Rock-Bude und eben nicht um ein klassisches Synchronstudio. Alle dort eigentlich zu Verfügung stehenden Tools wie Taker etc. galt es nun „nachzubauen“. Ich schnitt also eine „Synchronrolle“ zusammen, bei der alle Takes von Thomas nacheinander vorlagen. Neben einem ins Bild eingestanzten Timecode als Referenz musste auch noch ein Balken ins Bild, dessen sich verändernde Länge Aufschluss darüber gab, wie lange der Take noch dauern würde. So ist es für Schauspieler bei längeren Takes möglich, ihr Tempo zu halten. Faktisch jeder Take wurde somit von Hand per Keyframing animiert.

MIRACLE MILE: Thomas Danneberg und Christian Bartsch

Die Aufnahme fand am 26. November 2015 statt. Ich ließ es mir nicht nehmen, Thomas abzuholen und ins Studio zu fahren. Bedingt durch die Situation sah ich mehr Straße als Thomas, was mich in sofern irritierte, als dass ich gefühlt ständig mit John Travolta sprach, der allerdings ziemlich viel Berliner Vokabular im Gepäck hatte. Die Arbeit im Studio war konzentriert und angenehm. Für Thomas war vermutlich schon beim ersten Telefonat klar, dass er es hier mit Fanboys zu tun hatte. Ich ließ es mir dennoch nicht nehmen, der Legende bisweilen einen weiteren Take aufzubürden, wenn Thomas genuschelt oder sein Magen allzu sehr geknurrt hatte. Ein Take wollte nicht so recht klappen, weshalb ich mehrfach nachhakte – was mit Thomas einen lachenden „Korinthenkacker“ quittierte; sicherlich zu Recht. Gegen Ende der Aufnahme bat Thomas unseren Engineer, „das Band“ noch einmal laufen zu lassen und schenkte mir zum Abschluss ein „Hasta la Vista„. Diese Aufnahme begleitet mich seitdem auf allen meinen Telefonen und signalisiert, wenn jemand wirklich wichtiges schreibt.

Vor der Premiere: Rainer Basedow („Jake“), Christian Bartsch, Thomas Danneberg („Elwood“)

Im Nachgang passierte dann so einiges, weshalb die Veröffentlichung erst später im Jahr darauf erfolgte. Als wir die ersten Muster hatten, machte ich mich erneut auf in die alte Heimat und traf mich mit Thommy bei Boente auf Currywurst und Bier. Das lag nicht etwa an meiner oder der Sparsamkeit von Turbine. Thomas war, soweit ich das beurteilen kann, nie jemand, der Wert auf Schickimicki gelegt hätte. Die Currywurst war seine Wahl und eine Konstante – egal ob Pott oder Berlin. Während das Essen nur gekleckert war, wie manche sagen könnten, wurde bei der folgenden Veröffentlichung geklotzt: Das Cinestrange Film Festival in Braunschweig ließ John Landis einfliegen, wir organisierten Thomas und Rainer und so kam es zur großen Premiere am 9. September 2016 vor ausverkauftem Haus.

Bereit zum Interview: Wolf Jahnke, John Landis, Phil Friederichs, Christian Bartsch

Ende 2016 kehrten wir erneut und letztmalig bei Didi in Marl ein. Wir arbeiteten gerade an MIRACLE MILE – NACHT DER ENTSCHEIDUNG. Jemand fand es in den 1980ern eine knorke Idee, die ersten paar Minuten nicht zu synchronisieren. Wir mussten also wieder vervollständigen und es blieb letztlich die Rolle eines Dokumentationssprechers im Museum über, die wir mit Thomas besetzten. Auch das Intro zu PALIM PALIM – DAS PODCAST MASSAKER sprach Thomas bereitwillig ein. Inhaltlich waren diese Kleinigkeiten natürlich Thomas‘ Talent nicht würdig, es gab aber einen Plan. Thomas wollte weniger arbeiten und wir wollten die Möglichkeit schaffen, dass Thomas auch bei seinen Aufenthalten im Revier kleinere Dinge vor Ort unkompliziert würde einsprechen können. Thomas‘ Gesundheitszustand führte dann allerdings dazu, dass Thomas und Partnerin einige Zeit später zurück nach Berlin gingen.

Man könnte nun sagen, dass Thomas‘ Tod einen Verlust für die deutsche Synchronlandschaft darstellt. Doch das Loch hat Thommy bereits 2018 gerissen, als er mit MEIN NAME IS NOBODY (Terence Hill) seine letzte Synchronarbeit ablieferte. Von daher hatten wir bereits Zeit, uns darauf einzustellen, wie es ist – ohne Thomas. Ob es das einfacher macht? Ich bin mir nicht sicher, ob ich es mir anmaßen sollte, nach diesem „bisschen“ einen großspurigen letzten Satz rauszuhauen. Von daher bleibe ich bescheiden: man sieht sich – bei Currywurst und Bier.

Christian Bartsch, Turbine
05.10.2023

Thomas Danneberg in Hochform: Blues Brothers Langfassung Einsprecher